Sag
einmal", rief das Eichhörnchen
zu seiner Frau Susanne hinüber. Mit
einem riesigen Satz sprang es von der Tanne
auf den Baum, wo seine Frau saß. Hab
ich das geträumt, oder hab ich das
wirklich gesehen?"
Was meinst du, mein lieber Egon?"
Sie sah ihn unschuldig aus ihren großen,
runden, schwarzen Augen an.
Tu nicht so scheinheilig!" Mit
einem weiteren Satz saß er vor Susanne
auf dem dicken Ast der Eiche. Wieso
hast du eben drei Eicheln in das Vorratslager
von Paule gebracht?"
Wer, ich? Da musst du geträumt
haben Egon." Sie richtete ihren buschigen
Schwanz leicht geschwungen auf und sah nun
besonders hübsch aus.
Paule war ein alter Eichhornkater, der in
den letzten Jahren vergeblich alle weiblichen
Eichhörnchen in der Umgebung zu betören
versucht hatte. Doch weil er immer träge
in der Sonne lag, wollte keine seine Frau
werden. Deshalb war er immer noch Junggeselle.
Ich wünschte, ich hätte
geträumt." Egon schaute seine
Frau durchdringend an. Bist du mir
untreu? Hast du ein Verhältnis mit
Paule?"
Entsetzt zitterte Susanne kurz mit ihrem
Schwanz. Du spinnst wohl! Ich und
Paule. Der hat doch nicht alle Nüsse
im Schrank."
Aha, und deshalb bringst du ihm ein
paar. Da müh ich mich ab, uns ein gutes
Vorratslager für den Winter anzulegen.
Und was macht meine Frau? Sie füllt
das Lager meines stinkfaulen Nachbarn auf.
Wie hat er es geschafft, dieser Tagedieb,
dich herum zu kriegen. Los raus mit der
Sprache. Ich will jetzt alles wissen. Wenn
ich mit dir fertig bin, will ich dich nicht
mehr sehen. Dann kannst du zu ihm ziehen."
Der letzte Satz klang nicht nur bedrohlich,
er löste augenblicklich Tränen
bei der Eichhörnchenfrau aus. Sie hielt
die kleinen Pfoten vors Gesicht und begann
zu schluchzen.
Hör mit dem Geplärre auf!",
fauchte Egon sie an. Das hättest
du dir früher überlegen sollen!"
Ich kann doch nichts dafür",
begann Susanne zu jammern.
Aha!", tönte er verächtlich
und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich, ich hab doch nicht geahnt, dass
es ein Feuer geben könnte." Ihre
letzten Worte gingen im Heulen unter.
Egon dachte, sie spräche vom Feuer
der Liebe und hatte schon keine Lust mehr,
sich den Rest des Geständnisses seiner
Frau anzuhören. Als sie dann von plötzlich
auflodernden Flammen sprach, reichte es
ihm.
Hau schon ab! Ich will dich nie wieder
sehen!" Er drehte ihr den Rücken
zu.
Aber", schluchzte sie. Es
ist doch gar nichts zwischen mir und Paule.
Wenn ich doch die Streichhölzer nur
nicht gefunden hätte."
Eine scheinbar unendliche Zeit saßen
beide still auf dem Ast der alten Eiche.
Dann drehte Egon sich wieder zu ihr um und
fragte: Was war mit den Streichhölzern?!"
Unter erneuten Tränen erfuhr Egon von
seiner Frau, dass sie letztes Jahr im Sommer
auf dem Weg am Waldrand ein Päckchen
Streichhölzer gefunden hatte. Nie zuvor
hatte sie so ein Päckchen gesehen.
Sie hatte auch gar nicht gewusst, das es
gefährlich sei, mit Streichhölzern
zu spielen. Und nun begriff Egon, was vorgefallen
sein musste. Offenbar hatte seine Frau den
großen Waldbrand drüben im Tal
ausgelöst. Paule hatte sie dabei beobachtet
und erpresste sie nun. Denn es war nie heraus
gekommen, wodurch das Feuer entstanden war.
Egon schlug die Pfoten über dem Kopf
zusammen. Wie konnte seine Frau nur so einfältig
sein.
Wieso hast du denn die Flamme nicht
gleich ausgetreten, als sie noch klein war?",
brüllte Egon seine weinende Frau an.
Es war nicht klein, es war gleich
ein riesiges Feuer."
Quatsch. Jedes Feuer beginnt ganz
klein!"
Als ich genug mit den Streichhölzern
gespielt hatte, hat es auch noch gar nicht
gebrannt. Die kleinen Hölzchen lagen
einfach nur so auf dem Boden umher. Erst
als ich wieder auf den Baum sprang, weil
Paule auftauchte, da hat es plötzlich
gebrannt. Und er hat gesagt, dass ich den
Wald angesteckt habe. Und wenn es heraus
kommt, würden mich alle davon jagen.
Aber wenn ich ihm jeden Tag etwas leckeres
zu fressen brächte, würde er den
Mund halten."
Wie, es hat noch nicht gebrannt, als
du die Streichhölzer liegen ließt?",
fragte Egon.
Nein, ich bin die vertrocknete Fichte
hinauf geklettert und wollte gerade zur
Linde hinüber springen, als ich kurz
zurück blickte. Da sehe ich von unten
Qualm und Feuer, und Paule kommt herauf
gehetzt und schreit: 'Was hast du bloß
angestellt! Es brennt!'"
Dieser Halunke", zischte Egon
zwischen seinen scharfen Nagezähnen
hervor. Und es ist sicher, dass du
kein Streichhölzchen an der rauen Seite
des Päckchens entlang gezogen hast,
wodurch das Hölzchen zu brennen begann?"
Nein, ich habe nur so die Hölzchen
auf dem Boden hin und her geschoben. Dabei
gab es keine Flamme."
Paule hat also das Feuer angezündet,
und dir eingeredet, du hättest es getan.
Na warte!"
Mit einem riesigen Satz sprang Egon davon.
Wenige Minuten später versammelten
sich alle Tiere des Waldes vor der alten
Kastanie, in der Paule wohnte. Er staunte
nicht schlecht, als die Wildschweine zu
ihm herauf grunzten. Auch die Füchse,
die Kröten, die Rehe und Igel waren
gekommen. In den Bäumen saßen
die Vögel. Rotkehlchen, Meisen, Raben
und viele andere. Der Uhu war sogar etwas
früher aufgestanden, um diese Versammlung
bei Sonnenuntergang nicht zu verpassen.
Zuerst wollte Paule nicht zugeben, dass
er den Brand im letzten Jahr gelegt hatte.
Dass die Eichhörnchenfrau ihm täglich
zu fressen brachte, hatten jedoch auch andere
Tiere des Waldes beobachtet und sich gewundert.
Nun war für alle klar, dass Paule ein
Erpresser und Brandstifter war. Sie stimmten
darüber ab, dass sie keinen Erpresser
und Brandstifter in ihrem Wald dulden wollten.
Als sie Steine aufhoben, um Paule zu verjagen,
da war es ihm egal. Hochmütig brüstete
er sich, wie klug er gewesen war. Die dumme
Eichhörnchenfrau habe ihn ein ganzes
Jahr mit Essen versorgt, obwohl sie gar
nicht das Feuer entfacht habe.
Das reichte Egon. Er sprang Paule an die
Gurgel und hätte ihn sicher auf der
Stelle umgebracht, wenn der große
Uhu sie nicht mit einem kräftigen Flügelschlag
vom Ast gefegt hätte. Beide fielen
herunter und jeder griff schnell nach dem
nächst besten Zweig, um nicht zu Boden
zu stürzen.
Paule nutzte die Situation, um sich in der
Dunkelheit davon zu machen. Denn es war
bereits Nacht geworden. Man hat den Erpresser
und Brandstifter Paule nie wieder gesehen.
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